

Newsletter #8 | 17.12.2025
Medienkompetenz im Studium: Recherchieren lernen in einer digitalen Wissenslandschaft
Interview mit Dr. Philipp Casula
Fachreferent Wirtschaftswissenschaften und Lehrbeauftragter, UB Wirtschaft
Wissenschaftliche Literaturrecherche ist ein grundlegender Bestandteil des Studiums – doch wie findet man verlässliche Informationen in einer zunehmend digitalen und unübersichtlichen Wissenswelt? Der Semesterkurs «Informations-, Daten- und Medienkompetenz» an der Universität Basel richtet sich an Studierende ab dem zweiten Semester und vermittelt Schritt für Schritt, wie man systematisch recherchiert, Suchstrategien reflektiert einsetzt und Literatur nachhaltig verwaltet.
Philipp Casula, die UB Wirtschaft bietet in Kooperation mit dem WWZ einen Semesterkurs «Informations- Daten und Medienkompetenz» an. Das sind Begriffe, die man heutzutage oft bemüht. Was verstehen Sie darunter und warum ist Informations- und Medienkompetenz für die Studierenden relevant?
Informations-, Daten- und Medienkompetenz bedeutet, Informationen und Daten finden zu können, zu verstehen, wie sie entstehen und bewertet werden, und sie durch verschiedene Medien wissenschaftlich korrekt zu nutzen. Es geht darum, bewusst und korrekt mit unterschiedlichen Informationsformen umgehen zu können. Als Bibliothek können wir den Studierenden helfen, diese Kompetenzen zu erlernen. Wir verstehen uns heute nicht mehr nur als ein Ort der Bestände und damit der Bereitstellung von wissenschaftlicher Information, sondern wir versuchen, eine aktivere Partnerin im Lern- und Forschungsprozess zu sein und unterstützen Studierende und Forschende dabei, die Informationen zu finden. Insbesondere am Anfang des Studiums betrifft das stark die Recherchekompetenzen. Studierende sollen lernen, was sie suchen können, wo sie suchen und wie sie ihre Suche zielgerichtet gestalten.
Mit dem «was» ist die Art der Literatur gemeint?
Die Art der Literatur oder auch der Daten. In den Wirtschaftswissenschaften stehen wissenschaftliche Zeitschriftenartikel im Zentrum, während Monografien eine ergänzende Rolle spielen. Aber auch Forschungsdaten sind wichtig und je nach Thema zusätzlich die sogenannte «graue Literatur». Damit sind nicht wissenschaftlich begutachtete Materialien gemeint, die nicht in wissenschaftlichen Verlagen erscheinen – etwa Berichte von Behörden, Think-Tanks, Zentralbanken oder internationalen Organisationen wie OECD oder IMF. Diese Quellen können wissenschaftlich hoch relevant sein, erfordern aber eine besonders sorgfältige Bewertung hinsichtlich Herkunft und Aussagekraft.

Die Bibliothek Wirtschaftswissenschaften ist die Fachbereichsbibliothek für die Fächer Wirtschaftswissenschaften und Soziologie. Das Schweizerische Wirtschaftsarchiv (SWA) ist ein Kompetenzzentrum für Quellen zur Schweizer Wirtschaft und Wirtschaftsgeschichte. Die Bibliothek befindet sich im ersten Stock des Gebäudes Peter Merian-Weg 6, die Treppe befindet sich links vom Eingang. Die Mitarbeitenden an der Ausleihtheke beantworten alle Fragen zur UB Wirtschaft und zum SWA. Sie helfen gerne bei allen Fragen zum Katalog, zu Datenbanken und Internetplätzen. Die Bibliothek verfügt über einen Buchbestand, der sich auf drei Lesesäle verteilt: Lesesaal 1 beinhaltet wirtschaftswissenschaftliche Literatur, Lesesaal 2 sozialwissenschaftliche und wirtschaftshistorische Literatur und Lesesaal 3 Zeitschriften und Dissertationen. Ein weiterer Bestand befindet sich im Magazin. Zudem verfügt die Bibliothek über einen kleinen Bestand an Lehrbüchern, die vor Ort genutzt werden können. Die Aufstellung erfolgt gemäss Regensburger Verbundklassifikation, das heisst, Nutzer finden Bücher thematisch gruppiert. Zudem sind Bücher aus der UB Hauptbibliothek und den angeschlossenen Bibliotheken über den Kurier bestell- und abholbar. Die Bibliothek verfügt auch über eine LSEG-Workspace-Arbeitsstation, die zu den üblichen Öffnungszeiten zugänglich ist. Über die Fachseite Wirtschaftswissenschaft ist ein schneller Zugriff auf wichtige Ressourcen wie Datenbanken und Zeitschriften oder auf Anschaffungswünsche und den Digitalen Semesterapparat möglich.
Und wo suchen Studierende sinnvollerweise?
Sie nutzen zum Beispiel das Discovery-Tool «Swisscovery», das den klassischen Bibliothekskatalog abgelöst hat. Swisscovery bietet Zugang zu einem sehr breit gefächerten und dynamischen Literatur-Bestand. Sehr gute Quellen sind auch Fachdatenbanken wie Business Source und EconLit, die gezielt wirtschaftswissenschaftliche Journal-Artikel erschliessen. Es ist sinnvoll, unterschiedliche Suchorte bewusst zu kombinieren. Im Semesterkurs stellen wir zudem Open-Access-Suchmaschinen sowie digitale Recherchewerkzeuge vor, darunter das KI-basierte Tool Consensus, das Fragen in natürlicher Sprache verarbeitet. Gerade dieses letzte Tool bietet viele Möglichkeiten, auch wenn die Basis an wirtschaftswissenschaftlicher Literatur, die momentan abgedeckt ist, noch etwas eng erscheint. Gerade Studienanfänger*innen sollten mit dem Tool vorsichtig umgehen, zumal sie die Qualität der Zeitschriften noch nicht einschätzen können. Idealerweise suchen sie vorrangig mit einer systematischen Strategie.
Womit wir beim «wie» angelangt wären, also der Frage, wie genau recherchiert wird.
Richtig. Eine gute Literaturrecherche sollte sich nämlich nicht auf das spontane Eintippen von Stichworten beschränken. Als erste Orientierung kann Google Scholar natürlich sinnvoll sein, aber die dortige Reihung der Treffer ist algorithmisch und wenig transparent. Im Semesterkurs vermitteln wir daher einen systematischeren Ansatz.
Als Startpunkt empfehlen wir z.B. «Kerntexte», wie Artikel aus Literaturlisten von Dozierenden, zu verwenden. Von diesen Artikeln aus lässt sich eine Snowballing-Suche anwenden: Dabei wird Rückwärts gesucht - welche Literatur zitiert der Text? Und es wird vorwärts gesucht - Welche Arbeiten zitieren diesen Text später? Datenbanken und Swisscovery unterstützen oft diesen Prozess, indem sie Zitationsbeziehungen und Verfügbarkeiten aufzeigen.
Auch die präzise Formulierung der Forschungsfrage ist wichtig. Darauf aufbauend werden Schlüsselbegriffe, Synonyme und Schlagworte, also fachliche Begriffe aus kontrollierten Vokabularen identifiziert. Hilfreich ist z.B. die JEL-Klassifizierung der American Economic Association oder der STW Thesaurus for Economics. So kann etwa nicht nach „Wirtschaftsboom in China“, sondern nach „Wirtschaftsentwicklung China“ gesucht werden. Denn Wirtschaftsboom ist kein kontrollierter Begriff und liefert vermutlich nur wenige Resultate. Nach der Begriffsklärung lernen die Studierenden einen strukturierten Suchstring zu entwickeln, der in mehreren Datenbanken eingesetzt werden kann. Wir zeigen ihnen auch, wie die Suche und ihre Resultate dokumentiert werden können, wie man doppelte Treffer identifiziert und die Relevanz der Ergebnisse überprüft.
Und zu guter Letzt ist auch die Organisation der gefundenen Resultate wichtig. Dafür gibt es inzwischen sehr nützliche digitale Tools. An der Universität Basel empfehlen wir Studierenden oft «Zotero», ein Tool, mit dem sich nicht nur Literatur, Volltexte und Notizen systematisch speichern und verwalten lassen, sondern das zum Beispiel über ein Plugin zum Beispiel auch automatisch und konsistent Literaturangaben in wissenschaftlichen Arbeiten einfügen kann. Für die Studierenden ist dies ein grosses Plus, sobald sie selber ihre ersten Arbeiten schreiben. Wenn man das Tool während des ganzen Studiums systematisch verwendet, kann man damit auch eine Art persönlichen Wissensspeicher aufbauen. Man macht die Arbeit einmal und nutzt sie immer wieder. Auch das kann im Studium sehr hilfreich sein.
Interview und Text: Dr. Brigitte Guggisberg
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