FV-108 | Nutzen und Finanzierung der Obligatorischen Krankenpflegeversicherung
Prof. Dr. Stefan Felder, Prof. Dr. Günther Fink, Dr. Renate Strobl
Forschungsgegenstand
Die Kostenbremse-Initiative der Partei «Die Mitte» und die PrämienverbilligungsInitiative der «SP» beschäftigen aktuell die Schweizer Politik und Öffentlichkeit. National- und Ständerat haben kürzlich beide Initiativen abgelehnt und indirekte Gegenvorschläge verabschiedet. Künftig soll der Bundesrat Kosten- und Qualitätsziele für die Leistungen für die darauffolgenden vier Jahre festlegen. Eine Senkung der Prämienbelastung soll über eine Verpflichtung der Kantone erreicht werden, ihre Individuelle Prämienverbilligungen zu erhöhen. Die beiden Parteien haben jetzt die Option, ihre Initiativen zurückzuziehen und den jeweiligen Gegenvorschlag zu akzeptieren – in diesen Fall treten letztere in Kraft, andernfalls kommen die Initiativen und Gegenvorschläge zur Volksabstimmung. Die Schweizer Gesundheitspolitik ist in einer Kostendiskussion gefangen. Die Nutzenseite der Gesundheitsversorgung wird dagegen weitgehend ausgeblendet. Das Forschungsprojekt setzt hier an und will repräsentativ die Schweizer Bevölkerung zum Nutzen und Finanzierung der Obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) befragen.
Problemstellung
Das Krankenversicherungsgesetz schreibt die Wirtschaftlichkeit von Leistungen der OKP vor. Indes fehlt es an einer Operationalisierung dieses Kriteriums. In diesem Zusammenhang wäre die Zahlungsbereitschaft der Prof. S. Felder Prof. G. Fink Dr. R. Strobl 30 Schweizer Bevölkerung für die medizinische Versorgung im Rahmen der OKP entscheidend. Die Krankenkassenprämien finanzieren, berücksichtigt man die Individuelle Prämienverbilligung mittels Steuereinnahmen, rund 30 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben. 37 Prozent werden aus Steuermitteln und den Sozialversicherungen gezahlt. Offen ist, ob der Mix aus Prämien und staatlicher Finanzierung aus Sicht der Bevölkerung stimmt.
Zielsetzung
Der umfassende Leistungskatalog der OKP widerspricht der Idee einer staatlichen Grundversicherung, «in Ergänzung zu persönlicher Verantwortung und privater Initiative», wie es Art. 41 der Bundesverfassung vorschreibt. Aber wo ist die Grenze zu ziehen? Sollte sie gar um die Zahnversorgung ergänzt werden oder könnte die Alternativmedizin gegen einen Prämienabschlag aussen vor bleiben. Dazu soll die Schweizer Bevölkerung befragt werden. Weiterhin thematisieren wir die Finanzierung der OKP über Prämien und Steuermitteln ebenso wie die individuelle Prämienverbilligung.
Bedeutung und Nutzen
Für die Schweiz liegt eine Untersuchung zur Zahlungsbereitschaft für ein QALY vor (Fischer et al., 2023), die sich auf medizinische Leistungen am Lebensende konzentrierte. Die Ergebnisse sind teilweise widersprüchlich und nicht plausibel. Für mehrere europäische Länder wurde die Zahlungsbereitschaft für ein QALY erhoben (vgl. Donaldson et al., 2014, Ahlert et al., 2016). Dabei ist deutlich geworden, wie stark die Antworten von der genauen Fragestellung abhängen. Unsere Untersuchung wird diese Studie ergänzen und erstmals Ergebnisse für die Schweiz erzielen können. Für die Öffentlichkeit und Politik sollten die Ergebnisse sehr wichtig sein und zur Diskussion darüber beitragen, welchen Zuschnitt der gesetzliche Leistungskatalog in der OKP haben darf. Trotz Ermahnung des Bundesgerichts im Jahre 2010 hat die Schweizer Politik diese Diskussion bisher gescheut.