Prof. O. Mahmoud, Dr. D. Ballinari

Corporate Finance

Forschungsfrage
Sowohl in der akademischen Forschung als auch in der Praxis und in den Medien mehren sich die Hinweise darauf, dass auf den Finanzmärkten die Stimmung und das Interesse für Nachhaltigkeit zunimmt. Bis heute fehlt jedoch ein Echtzeit-Maß für die Anlegerstimmung für Nachhaltigkeit. Bislang beruhen empirische Analysen in diesem Bereich auf Labor-Experimenten und kleinen Umfragen. Die zeitnahe Erfassung der
Stimmung für Nachhaltigkeit ist von zentraler Bedeutung für das Verständnis ihrer Auswirkungen, nicht nur für den Finanzmarkt, sondern auch für die Gesellschaft und die politischen Entscheidungsträger. In diesem Zusammenhang möchten wir zwei wichtige Forschungsfragen untersuchen: (i) Wie können wir objektiv und quantitativ die Marktstimmung für Nachhaltigkeit messen, und (ii) welche wirtschaftlichen Auswirkungen,
insbesondere auf die Preisgestaltung von Vermögenswerten, hat die zunehmende Stimmung zur Nachhaltigkeit?

Ziele des Projektes
Angesichts unserer Forschungsfrage, die Stimmung der Anleger gegenüber nachhaltigen Finanzprodukten zu verstehen, verfolgen wir zwei Ziele. Erstens wollen wir die Marktstimmung in Bezug auf Nachhaltigkeit erfassen, indem wir Text- und Stimmungsanalyse-Algorithmen einsetzen, um Informationen über die Stimmung der Anleger aus relevanten Textdatenquellen wie sozialen Netzwerken zu extrahieren. Eine Reihe von Veröffentlichungen in der Finanz- und Verhaltensökonomie berichtet von einem signifikanten Einfluss solcher Sozialen Medien auf Aktienkursen. Genauer gesagt planen wir, mit Hilfe modernster
Textanalysetools direkte Messgrößen für die Nachhaltigkeitswahrnehmung der Anleger zu entwickeln. In einem zweiten Schritt wollen wir mit Hilfe dieses neuen und direkten Maßes für die Stimmung der Anleger in Bezug auf Nachhaltigkeit die Auswirkungen auf die Aktienkurse untersuchen. Tatsächlich wird ein großer Teil der Gesamtbewegung einer einzelnen Aktie (unabhängig von ihren Nachhaltigkeitskriterien) der  Marktstimmung zugeschrieben, und wir wollen verstehen, ob sich die Nachhaltigkeitsstimmung tatsächlich auf die Risiko- und Ertragseigenschaften von Aktien auswirkt und ob diese Beziehung zwischen Stimmung und Aktienpreisen von Volatilitätsregimen abhängt.

Realisierte Schritte
Das Projekt hat im Januar 2021 mit der Aufarbeitung der Daten aus Sozialen Medien begonnen. Wir haben Daten aus zwei Plattformen über den Zeitraum von 2010 bis 2020 analysiert und ein Vokabular von  Wörtern, welche bei der Diskussion über Nachhaltigkeit verwendet werden, erstellt. Dieses Vokabular hat uns ermöglicht, Textdaten, welche Nachhaltigkeitsthemen diskutieren, zu identifizieren. Gleichzeitig haben wir Machine Learning verwendet, um ein Modell zu bauen, welches die Stimmung aus Textdaten extrapoliert. Dies hat uns ermöglicht, die Stimmung aus den Nachhaltigkeitstextdaten zu ermitteln. Diese Informationen
haben wir zu einem Echtzeit Index aggregiert, welcher die Marktstimmung zu Nachhaltigkeitsthemen quantifiziert. In einem zweiten Schritt haben wir den Stimmungsindikator verwendet, um dessen Auswirkung auf Aktienkurse empirisch zu analysieren. Außerdem, haben wir den Einfluss des Indikators auf den Geldfluss in nachhaltigen Investmentfonds analysiert.

Ergebnisse
Die Resultate zeigen einen positiven Zusammenhang zwischen der Stimmung für Nachhaltigkeit und den Aktienkursen von nachhaltigen Unternehmen, und einen negativen Zusammenhang mit den Renditen von nicht nachhaltigen Unternehmen. Schwankungen in der Stimmung für Nachhaltigkeit haben einen Einfluss auf die Geldflüsse in und aus nachhaltigen Investmentfonds. Unsere Resultate zeigen, das höhere  Stimmung für Nachhaltigkeit eine Zunahme an Investitionen in nachhaltigen Investmentfonds vorhersagt. 

Publikationen
Seit dem 16. November 2021 ist der finalisierte Forschungsbericht Online öffentlich zugänglich (https://www.alexandria.unisg.ch/265250/). Dieser wird im Dezember 2021 an die Fachzeitschrift Journal of Finance eingereicht. 

Präsentationen und Konferenzen
Die Resultate dieses Projektes wurden im Oktober an einem Brown Bag Seminar an der Universität St. Gallen und im November an einem internen Seminar der Berkeley University of California präsentiert.