FV-99 | Kurzfristige Evaluation der Mindestlohneinführung im Kanton Basel-Stadt
Prof. Dr. Conny Wunsch & Dr. Rahel Felder
Forschungsgegenstand
Das Projekt untersucht die kurzfristigen Auswirkungen der Einführung des Mindestlohns im
Kanton Basel-Stadt auf Unternehmungen und ihre Beschäftigten anhand von selbst erhobenen
Befragungsdaten.
Problemstellung
Am 13. Juni 2021 hat das Stimmvolk im Kanton Basel-Stadt der Einführung eines kantonalen
Mindestlohns von 21 Franken pro Stunde zugestimmt. Dieser soll nach aktueller Planung ab 1. Januar
2022 in Kraft treten. Eine endgültige Entscheidung diesbezüglich sowie verschiedene Regelungen
zur Umsetzung stehen jedoch derzeit noch aus. Eine spätere Einführung ist deshalb möglich.
Welche Auswirkungen die Einführung des Mindestlohns innerhalb des Kantons und auf benachbarte
Regionen hat, ist offen. Befürworter der Initiative erhoffen sich eine Verbesserung der
finanziellen Lebenssituation von Beschäftigten im Tieflohnsegment, einen Rückgang der
Lohnungleichheit und zusätzliche Jobs. Gegner befürchten Jobverluste, eine verminderte
Wettbewerbsfähigkeit von Basler Unternehmungen durch höhere Lohnkosten und Preise sowie
eine Verlagerung von Arbeitsplätzen in benachbarte Regionen oder gar die Abwanderung ganzer
Unternehmungen.
Zielsetzung
Ziel des Projekts ist die Messung kurzfristiger Effekte der Einführung eines Mindestlohns im
Kanton Basel-Stadt auf Unternehmungen und ihre Beschäftigten. Auf Arbeitgeberseite soll
untersucht werden, ob in folgenden Bereichen Anpassungen erfolgen: Löhne von direkt und
nicht vom Mindestlohn betroffenen Mitarbeitenden, Entlassungen, Vertragsverlängerungen und
Neueinstellungen, Preisen, Arbeitsstunden und Kostenstruktur. Hinsichtlich möglicher Wirkungen
sollen dabei Fragen beantwortet werden wie
- Wie ändern sich die Löhne der Mitarbeitenden im Kanton?
- Gehen bestimmte Arbeitsplätze verloren wie z.B. Gelegenheitsjobs, Jobs für WiedereinsteigerInnen, Jobs in Tieflohnsegmenten, Jobs für Studierende?
- Kommt es zu einer Verlagerung von Arbeitsplätzen über die Kantonsgrenze hinweg?
- Gibt es einen erhöhten Druck auf Branchen mit allgemeinverbindlichen GAV, d.h. Branchen mit einer funktionierenden Sozialpartnerschaft?
- Wird die Berufsbildung geschwächt, d.h. wird es schwieriger Lehrstellen zu besetzen, weil diese aufgrund steigender Opportunitätskosten weniger attraktiv werden?
Auf Seite der Beschäftigten soll untersucht werden, ob sich Änderungen ergeben hinsichtlich
Löhnen, verfügbarem Einkommen, Arbeitsbedingungen, Arbeitsklima, Zufriedenheit mit dem
Job und der Lebenssituation. Im Zentrum stehen hier insbesondere Erkenntnisse, ob sich die
Lebenssituation der Betroffenen durch einen Mindestlohn tatsächlich verbessert und ob sich für
Betroffene und Nichtbetroffene etwaige Nachteile ergeben.
Bedeutung und Nutzen
Mindestlöhne werden nicht nur in der Politik und Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Auch
wissenschaftlich sind die empirischen Befunde trotz umfangreicher Forschung nicht einheitlich.
Der derzeitige Konsens in der Wissenschaft ist, dass die Auswirkungen von Mindestlöhnen
sehr stark von dessen Ausgestaltung, vom institutionellen Kontext und von den ökonomischen
Rahmenbedingungen anhängen. Deshalb kann beispielsweise die Evidenz zur Einführung des
gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland nicht einfach auf den Kanton Basel-Stadt übertragen
werden. Für die Schweiz gibt es bislang nur eine wissenschaftliche Studie zur Einführung des
Mindestlohns im Kanton Neuenburg (Berger/Lanz, Swiss Journal of Economics and Statistics, 156,
2020). Diese untersucht jedoch nur eine relativ kleine Stichprobe an Restaurants und nur ein relativ
kleines Spektrum an möglichen Effekten. Die Ergebnisse sind weder auf andere Branchen noch auf
andere Rahmenbedingungen übertragbar.
Die Einführung des Mindestlohns im Kanton Basel-Stadt erfolgt in einer Zeit, in der die wirtschaftlichen
Folgen der Pandemie noch immer stark spürbar sein werden. Eine breit angelegte
Studie, die alle relevanten Branchen einbezieht und ein breites Spektrum an möglichen Effekten
abdeckt, ist deshalb enorm wichtig, um die Auswirkungen von Mindestlöhnen in der Schweiz zu
verstehen.