Wenn weiche Faktoren hart werden: Warum sich betriebswirtschaftliche Rationalität nicht (immer) durchsetzt. Fallstudie Conföderatio
Michael Zirkler
Conföderatio ist der anonymisierte Name des Projekts, das Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist. Es handelt sich um die (gescheiterte) Fusion mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen der Dienstleistungsbranche zu einem nationalen Konzern.
Als Untersuchungsmethode haben wir die Einzelfallstudie gewählt in der (begründeten) Annahme, dass wir dadurch tiefere Einblicke in die Denk- und Fühlwelten erhalten, die in Organisationen Wirklichkeit schaffen. Im Vordergrund standen zunächst die Beratungsbeziehungen, die auch in ihrer Entwicklung und möglichen Veränderungen über eine gewisse Zeit hinweg untersucht werden sollten.
Dieses Projekt erwies sich für die Forschung als mehrfacher "Glücksfall". Zentrale Prozesse des Projekts konnten nicht zuletzt deshalb besonders gut beobachtet, reflektiert und dargestellt werden, weil das Projekt gescheitert ist und die Fusion nicht vollzogen wurde.
Wir fragen hier nach den wirklichkeitskonstituierenden Perspektiven der Akteure und den strukturell determinierenden Faktoren durch den Kontext (Organisation, Hierarchie, Zeit usw.). Ausserdem wollten wir wissen, welche Konsequenzen diese Perspektiven und Kontextbedingungen für das Projekt nach sich ziehen.
Oder anders gesagt: wie wird das Projekt "Fusion" in Zusammenarbeit von Management und Beratern konkret geplant und durchgeführt? Wie wird über das Projekt, seine Akteure und Prozesse gesprochen? Welche Annahmen stecken hinter den Kommunikationen und Handlungen von Akteuren? Welche Dynamiken ergeben sich daraus?
In den Fokus unserer forscherischen Aufmerksamkeit haben wir zunächst Fragen zur Gestaltung von Arbeitsbeziehungen in der Organisationsberatung genommen. Konkret wollten wir zu Beginn der Untersuchung wissen:
- Wie werden die Rollen, Kompetenzen und Arbeitsbeziehungen in der Beratung von Organisationen seitens der Berater und der Klienten erlebt, verstanden und gestaltet?
- Welche (auch impliziten) Funktionen und Ziele (z.B. Wissenstransfer, Technologieimplementierung, Legitimation, Übernahme von Managementfunktionen usw.) werden in Beratungsbeziehungen wahrgenommen und angestrebt. In welchem Masse sind diese Funktionen und Ziele gegenseitig transparent gemacht und abgesprochen bzw. stillschweigend mitgetragen?
- Wie wird der Erfolg der Beratungsarbeit seitens der Berater und Klienten definiert und nach welchen Kriterien wird er - wenn überhaupt - gemessen?
- Nach welchen Kriterien beurteilen Berater und Klienten den Beratungsprozess als "gut und wirksam"?
- Wie wird die Qualität der Beziehung zwischen "Klienten-System" und "Berater-System" im Laufe des Beratungsprozesses überprüft und weiterentwickelt?
Im Verlauf der Untersuchung hat sich jedoch gezeigt, dass nicht nur die Arbeitsbeziehung zwischen Beratern und Klienten von Interesse und Bedeutung sind, sondern etwa auch die zwischen den beteiligten Beratern und die zwischen den Akteuren des Managements.
Der folgende Text versteht sich als Versuch, im Sinne einer Kulturstudie die komplexen Prozesse zu erfassen, welche zur spezifischen Vorstellungs- und Handlungswirklichkeit geführt haben, die sich von aussen, durch die Forscher, erfassen liess. Auch wenn die Beobachtung durch die Forscher geschieht, soll sie gleichsam durch die Augen der Akteure vollzogen werden, um nach Möglichkeit deren Verständnis und Sichtweise einzufangen.
Wir möchten mit dieser Untersuchung einen Beitrag dazu leisten, Kommunikations- und Interaktionsmuster zu verstehen, die sich aus der Dynamik sozialer Systeme mit ihren kontextuellen Bedingungen, ihren Geschichte, Absichten und Akteuren tatsächlich ergeben. Es stehen dabei die Prozesse im Vordergrund, die zu diesen Mustern führen sowie die Konsequenzen für Management- und Beraterhandeln, die sich daraus ergeben.
Anzahl Seiten | 74
Jahr | 2005
Preis | CHF 30.00