Spitalplanung und Spitallisten in der Krankenversicherung: Theoretische Grundlagen, praktisches Vorgehen, beobachtete Wirkungen und Reformvorschläge

Ortrud Biersack

In der Schweiz wird mittlerweile von keiner Seite mehr bestritten, dass hohe Überkapazitäten im Spitalbereich bestehen. Die vorliegende Arbeit untersucht, ob sich der im schweizerischen Krankenversicherungsgesetz mit Artikel 39 formulierte Auftrag an die Kantone, eine Spitalplanung und Spitalliste zu erstellen, für die Redimensionierung und die nachhaltige Kostendämpfung im schweizerischen Spitalsektor bewährt hat. Zur Beantwortung dieser Frage wurden die Planungsberichte und Begleitdokumente der ersten Umsetzungsphase der Spitalplanungen und -listen der 26 Kantone untersucht.

Die wichtigsten Thesen der Arbeit lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Eine Bettenkapazitätsplanung ist nur dann kostenwirksam, wenn es zu Spitalschliessungen kommt. Die Kantone haben jedoch wenig Anreiz, den gesetzlichen Auftrag der Spitalplanung und -liste restriktiv durchzuführen.
  • Aufgrund der beobachtbaren protektionistischen Haltung der Kantone gegenüber dem eigenen Spitalmarkt entstanden 23 Spitalplanungen mit unterschiedlichen Grundlagen, Definitionen und Bedarfswerten. Es zeigt sich, dass die Planwerte (ausgedrückt in Betten pro 1'000 Einwohner) zwischen den Kantonen bis zu 50 % schwanken. Würde der tiefste kantonale Bedarfswert für die ganze Schweiz bzw. ausländische Werte zur Anwendung kommen, würden beträchtlich mehr Überkapazitäten resultieren als derzeitig identifiziert.
  • Die innerhalb der Spitalplanungen angestrebte Kapazitätsreduktion entspricht weitgehend nur einer Fortsetzung des im Gefolge des medizinisch-technischen Fortschritts (kürzere Aufenthaltsdauer, mehr ambulante Behandlungsmöglichkeiten) zu beobachtenden Bettenabbaus der letzten Jahre.
  • Insgesamt sind bei drei Vierteln der Kantone innerhalb der Erstellung der kantonalen Spitalplanung und -liste Strategien starker politischer Konfliktvermeidung zu beobachten. Schätzungsweise wurden in der ersten Vollzugsrunde der kantonalen Spitalplanungen nur ca. 2,5 % der insgesamt in der Schweiz vorhandenen Akutkapazitäten durch Betriebsschliessungen abgebaut.
  • Darüber hinaus war die Implementierung der Spitalplanungen und -listen mit beträchtlichen Rechtsunsicherheiten behaftet. Ein Grund davon war, dass im schweizerischen Gesundheitssystem verschiedene widersprüchliche Quellen und Vorstellungen zur Bestimmung des eigentlichen Planungs- und Listengegenstandes bestanden, was eine konsistente Interpretation und den Vollzug des Regulierungsinstruments zusätzlich behinderte.

Die Untersuchung kommt zum Schluss, dass sich das Instrument der kantonalen Spitalplanung und -liste aufgrund spezifischen Politikversagens als wenig kostenwirksam erwiesen hat.

Anzahl Seiten | 247
Jahr | 2005
Preis | EUR 39.00