Newsletter #1 | 26.02.2024
Makro-Influencer haben schwindelerregende Followerzahlen, doch die Preise, die sie von Firmen für ein bezahltes Endorsement verlangen, sind inzwischen ähnlich atemberaubend hoch. Welche Wirkung ein solches Investment hat, untersucht Andreas Lanz, seit September 2023 Professor für Digital Marketing Analytics an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Seine überraschende Erkenntnis: Weniger kann auch mehr sein. Mikro- oder gar Nano-Influencer mögen, was die Reichweite betrifft, zwar bescheiden abschneiden, aber dafür punkten sie mit Interaktivität, weswegen ihr Einfluss auf das Kaufverhalten der Community das der Makros deutlich übersteigt.
Influencer Marketing ist längst ein Multi-Milliarden Geschäft geworden und die Content Industrie hat ihre eigenen Stars hervorgebracht. Kaum ein Unternehmen, das nicht versucht, seine Produkte durch Endorsements zu platzieren. Für die Wahl der Influencerin, die sogenannte Seeding-Frage, war bislang meist die Grösse der Community entscheidend und damit die Reichweite, die ein Influencer mitbringt. Doch dieses Grössenargument verliert momentan an Bedeutung. Professor Lanz und seine Co-Autoren Maximilian Beichert, Andreas Bayerl und Jacob Goldenberg sind heute in der Lage, die Effekte von Influencer Marketing sehr viel detaillierter zu untersuchen, indem sie gezielte Experimente durchführen und eine Fülle von Sekundärdaten aus nutzergenerierten Content Plattformen wie Instagram analysieren. In ihrem Paper «Revenue Generation through Influencer Marketing» (2024) etablieren die Forschenden den Influencer Marketing Funnel, der die Bezahlung einer Influencerin dem Ertrag (Revenue) gegenüberstellt, den diese umgehend generiert. Auf dieser Basis kann nicht nur ein Return on Investment berechnet werden, gestützt auf die integrierte Betrachtung des Funnels stellen die Forschenden auch Hypothesen über die zentralen Wirkungszusammenhänge auf, die den Resultaten zugrunde liegen.
Die wichtigste Erkenntnis in ihrer Publikation im Journal of Marketing: Obwohl die Community von Makro-Influencern, was die Anzahl Follower angeht, diejenige von Mikro- oder Nano-Influencern um das bis zu 32-fache übersteigt, generieren sie lediglich viermal so viel Ertrag. Mit anderen Worten, der Ertrag pro Follower ist bei den Stars der Industrie deutlich geringer als man dies erwarten würde und auch deutlich geringer als der Wert, den Nano-Influencer vorweisen können. Um die Analyse robuster zu machen, verwenden die Forschenden neben dem «Return per Follower», zwei weitere Ertragsmasse: «Return per Reach» und «Return on Influencer Spend» (ROIS), die ein ähnliches Bild ergeben. Makro-Influencerinnen erreichen zwar ein breites Publikum, aber ihr Einfluss auf das Kaufverhalten ist deutlich geringer als das ihrer kleineren Rivalen.
Eine mögliche Erklärung dieses Resultates bietet die «Social Capital Theory». Basierend auf dieser Theorie stellen die Autoren die Hypothese auf, dass mit steigenden Follower Zahlen die Interaktivität zwischen Influencer und Follower stetig abnimmt und mit der sinkenden Interaktivität auch der direkte Einfluss auf das Kaufverhalten schwindet. Der empirische Test bestätigt diese Erwartung. Doch nicht nur die Frequenz, auch die Art der Interaktion zwischen Influencer und Followern ist wichtig. Diesen untersuchen die Autoren mit Hilfe von Language Style Matching. Das Resultat: Nano-Influencerinnen passen ihren Kommunikationsstil demjenigen ihrer Follower an und beide Faktoren gemeinsam - Stil und Frequenz - können im empirischen Test 51 Prozent der Wirkungsdifferenz zwischen Makro- und Nano-Influencern erklären.
Was das Seeding – und damit die zentrale Frage der Marketingpraxis betrifft – sind diese Erkenntnisse geeignet, einen regelrechten Paradigmenwechsel auszulösen. Dabei ist das Forschungspotential von Influencer Marketing auf nutzergenerierten Content Plattformen noch längst nicht ausgeschöpft. Professor Lanz hat mit Co-Autoren eben zwei weitere Publikationen im Journal of Marketing sowie Journal of Marketing Research realisiert, die ebenfalls spezifische Empfehlungen für die Marketingpraxis herleiten. Letztere schlägt einen Kniff aus der Finanzwirtschaft vor: Termingeschäfte, um Makro-Influencer frühzeitig zu binden, solange sie noch weitgehend unbekannt sind. Dies hat den Vorteil, dass die geforderte Bezahlung wesentlich tiefer ausfällt. Gleichzeitig erforscht er in einem weiteren Projekt, welche Wirkung die ersten bezahlten Aufträge auf das Verhalten von Nano-Influencerinnen hat und ob diese Bezahlung zu spürbaren Veränderungen in der Interaktivität zwischen Nano-Influencer und Follower führt – womit sich der Einfluss auf das Kaufverhalten verändert.
Mehr zur Forschung von Andreas Lanz
Die letzten Publikationen:
Goldenberg, Jacob, Andreas Lanz, Daniel Shapira, and Florian Stahl (2023), "Targeting Nearby Influencers: The Acceleration of Natural Triadic Closure by Leveraging Interconnectors," Journal of Marketing, forthcoming.
Beichert, Maximilian, Andreas Bayerl, Jacob Goldenberg, and Andreas Lanz (2023), "Revenue Generation through Influencer Marketing," Journal of Marketing, forthcoming.
Lanz, Andreas, Jacob Goldenberg, Daniel Shapira, and Florian Stahl (2023), "Buying Future Endorsements from Prospective Influencers on User-Generated Content Platforms," Journal of Marketing Research, forthcoming.
Lanz, Andreas, Gregor Reich, and Ole Wilms (2022), "Adaptive Grids for the Estimation of Dynamic Models," Quantitative Marketing and Economics, 20, 179-238.