Newsletter #3 | 23.09.2024

Ein Forschungsteam des Basel Center for Health Economics (bche) der Universität Basel und des Swiss TPH untersucht die neu gegründete Gesundheitsorganisation Réseau de l’Arc, die die Gesundheitsversorgung im Jurabogen ganz neu aufstellen will. Die Forschung der Professoren Felder, Schwenkglenks und Wyss verspricht genau so innovativ zu werden wie der neue gesundheitspolitische Ansatz. Die unabhängigen Forscher begleiten das Umsetzungsprojekt von Anfang an, liefern Erkenntnisse fast schon in Echtzeit und schaffen damit die Möglichkeit einer echten Interaktion zwischen Forschung und Praxis.   

Stefan Felder

Prof. Dr. Stefan Felder, Direktor, bche

Gleich zwei Volksinitiativen hatten in diesem Jahr das Schweizerische Gesundheitswesen im Visier. Die Prämienentlastungsinitiative wollte Gesundheitskosten umverteilen, während die Kostenbremse-Initiative sie senken wollte, allerdings ohne spezifische Massnahmen zu definieren. Beide Initiativen wurden an der Urne abgelehnt, doch vermutlich würde niemand daraus schliessen, es gäbe keinen Handlungsbedarf im Schweizer Gesundheitssystem. Das Projekt «Réseau de l’Arc» hat das Potenzial, diese Probleme koordiniert anzugehen und das Gesundheitssystem damit teilweise neu aufzustellen. Aus Sicht der empirischen gesundheitsökonomischen Forschung ist das Réseau de l’Arc ein interessanter Anwendungsfall. Noch spannender ist es allerdings, wenn Erkenntnisse über Wirkmechanismen, Resultate und Konsequenzen nicht wie meistens in der Forschung erst Jahre später eruiert und aufgearbeitet werden, sondern wenn die Forschung ein Projekt gewissermassen interaktiv begleiten kann. Genau dies ist im Projekt Réseau de l’Arc der Fall.

Günther Fink

Prof. Dr. Günther Fink, Co-Direktor, bche

Das Team um Professor Felder hat in Zusammenarbeit mit dem Réseau de l’Arc einen Katalog relevanter Forschungsfragen ausgearbeitet, die laufend ökonometrisch untersucht und gleichzeitig auch zugespitzt werden. Dem Umsetzungsteam geben die Resultate wichtige Hinweise zur Effektivität und Effizienz des Systems und seiner detaillierten Spezifikation. Umgekehrt verfolgen auch die Forschenden keinen starren Forschungsplan, sondern wollen sich im Gegenteil an den Bedürfnissen der Praxis ebenso orientieren wie an den bereits erarbeiteten Resultaten und dabei neu entstehende Fragen laufend in die Forschung integrieren.

Worum geht es nun konkret? Die Organisation Réseau de l’Arc basiert auf der Zusammenarbeit dreier Partner, dem Swiss Medical Network, dem Kanton Bern und dem Versicherer Visana. Das Réseau de l’Arc vereint Spitäler, Radiologie- und Praxiszentren, eine Apotheke, Spitex, Ärzte und Versicherer mit dem Ziel, im gesamten Jurabogen, von Moutier über Biel bis Neuenburg erstmals in der Schweiz eine voll integrierte Gesundheitsversorgung anzubieten.

Armando N. Meier

Prof. Dr. Armando N. Meier, Co-Direktor bche

Aktuell liegt der Fokus der Organisation in Moutier mit dem Spital Moutier als zentralem Partner. Zugang zu den Leistungen erhalten Patienten über das Versicherungsprodukt «VIVA-Gesundheitsplan». Das Ziel ist eine umfassende Versorgung aus der Gesamtperspektive eines Patienten anstatt der Fokussierung auf einzelne Fachgebiete, die in der Realität oft medizinisch unbefriedigende Resultate und administrative Doppelspurigkeit nach sich zieht. Unterstützt wird dies durch die Budgetkompetenz, die in den Händen des Réseau liegt. Bei vorgegebenem Jahresbudget besteht allerdings kein Anreiz zur Leistungsmaximierung, sondern umgekehrt eher zu Investitionen in die Prävention.

Die Patientin spart Zeit, Aufwand und Ärger, weil Schnittstellen, wie beispielwiese der Übergang vom Akutspital in die Reha oder die Pflege zu Hause, nahtlos organisiert werden. Auch jährliche Vorsorgegespräche mit den «VIVA»-Ärzten sind vorgesehen, die Standortbestimmungen, langfristige Behandlungspläne aber auch Prävention ermöglichen. Besonders stark dürften sich diese Vorteile bei chronischen Krankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Leiden (Schlaganfälle, Herzinfarkte) bei COPD oder Asthma auswirken. Zumindest in der Theorie sollte dieses System bei hoher medizinischer Qualität gleichzeitig auch eine bessere Effizienz bieten.

Matthias SChwenkglenks

Prof. Dr. Matthias Schwenkgelnks, Co-Direktor, bche

Ein Anspruch der nicht nur Konzept bleiben soll, sondern durch die begleitende Forschung laufend überprüft, bestätigt oder verworfen werden kann. Geplant ist eine Analyse in zwei zeitlichen Dimensionen.

In der kurzen und mittleren Frist, während der nächsten ein bis drei Jahre, wird der Umsetzungsprozess und der Output untersucht. Dazu gehören Stakeholderbefragungen, Kostenanalysen aber auch die Erstellung von Key Performance-Indikatoren (KPI) und deren laufende Messung im Umsetzungsprozess. In der Output-Analyse wird unter anderem die Unterstützung und Kooperation medizinischer Berufsgruppen, das Wissen, die Wahrnehmung und Zufriedenheit der VIVA-Versicherten und natürlich die Wirkung auf den Gesundheitszustand der Versicherten erhoben und analysiert. Dabei wird mit qualitativen aber auch quantitativen Messungen, der Effekt des neuen Models auf die Gesundheitskompetenz, den Zugang zum Gesundheitswesen und die Qualität der Versorgung untersucht.

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Im Einklang mit der Universitätsstrategie 2022-2030, welche die Bedeutung der Life Sciences und der Medizin am Standort Basel hervorhebt und sich zur akademischen Exzellenz und gesellschaftlichen Relevanz bekennt, hat das WWZ in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Fakultät, der Philosophisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät sowie dem Schweizerischen Tropen- und Public Health Institute (Swiss TPH) im Jahr 2023 das Basel Center for Health Economics (bche) gegründet.

Das bche fördert die enge Zusammenarbeit mit Forscherinnen und Forschern zu Themen im Bereich Gesundheitsökonomie. Es finanziert sich über Drittmittel, welche für die angewandte Forschung und damit zur Analyse aktueller Fragestellungen im Bereich der Life Sciences verwendet werden.

Durch unabhängige Forschung zu Gesundheitssystemen in einem zunehmend digitalen und interdisziplinären Kontext will das Zentrum zukunftsweisende wissenschaftliche Erkenntnisse liefern und die Vernetzung der Forschung mit der Industrie und den politischen Entscheidungsträgern stärken. Dadurch soll die Umsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Praxis gefördert und Innovationen vorangetrieben werden, um die Leistungsfähigkeit, Effizienz und Finanzierbarkeit künftiger Gesundheitssysteme zu sichern.

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Kurz-Interview mit Dr. Alain Kenfak, Medizinische Leitung, Réseau de l'Arc

What was the motivation for the accompanying research?
The motivation for the accompanying research is to ensure and scientifically demonstrate the safety and quality of the care we provide to the population. Our innovative pioneer project is based on existing LaMal principles. However, different models have been derived, and the real impact depends on the success of their implementation. It is therefore crucial for us to assess the results obtained. Additionally, this collaboration strengthens the relationship between our non-university institution and the university, promoting knowledge transfer and continuous improvement.

What are the specific expectations from it?
The specific expectations include the scientific reporting of observed outcomes for our members (insurance holders), with a particular focus on the safety of the care provided. We also expect an assessment of the efficiency of our model, aiming to slow down healthcare costs and reduce adverse events. Additionally, the accompanying research will provide insights into the unique aspects of our model compared to Swiss and other international integrated care models. Finally, this collaboration offers valuable opportunities for the training and development of students and staff from both institutions.

Does the implementation change because of the accompanying research?
Although the research team is not directly involved in our clinical and operational processes, the implementation is indeed influenced by the accompanying research. This close observation of our processes and outcomes reinforces our commitment to delivering the highest quality of care. To support the research, specific data will need to be collected, which may be outside the scope of our usual operations. The regular reports provided by the research team, including key performance indicators (KPIs), will be analyzed alongside our internal KPIs and integrated into our continuous improvement system. If any safety issues are identified, they will prompt immediate corrections to our processes.

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Begleitforschung in Basel

Das Projekt SomPsyNet zielt darauf ab, Patienten und Patientinnen, die ins Krankenhaus kommen und seelisch oder in ihrem Alltag belastet sind, zu unterstützen. Das Gesundheitsdepartement Basel-Stadt führt das Projekt in Zusammenarbeit mit vier großen Basler Spitälern durch. Ziel ist es, Menschen in schwierigen Lebenssituationen frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig zu behandeln, um Belastungen und deren Folgen vorzubeugen.
Um den ökonomischen Nutzen dieser Zusatzbehandlungen zu evaluieren, wird das SomPsyNet Projekt von einem externen Evaluationsteam begleitet. Konkret sind das die Professoren Wyss (Swiss TPH), Schwenksglenks (UNIBAS & BCHE) und Fink (Swiss TPH, UNIBAS, BCHE). Die Begleitforschung beleuchtet qualitative Aspekte durch eine Vielzahl von Interviews mit Beteiligten; oeknomische Effekte werden durch einen stepped-wedge randomized controlled trial evaluiert.
 

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