Newsletter #5 | 24.03.2025

Professorin Conny Wunsch und Professor Michael Beckmann haben in einem gemeinsamen, vom Nationalfonds finanzierten Projekt untersucht, welche Auswirkungen die digitale Transformation auf die Arbeitswelt hat. Arbeitsmarktökonomin Conny Wunsch fokussiert dabei auf die Arbeitsangebotsseite des Arbeitsmarktes und untersucht, ob sich Studierende auf neue, digitale Anforderungen einstellen und welches Ausmass diese Anpassungsbewegung hat. Michael Beckmann, Professor für Personal und Organisation, fokussiert auf die Nachfrageseite und zeigt wie sich Managementsysteme, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten in Firmen aufgrund der digitalen Transformation ändern.

Conny Wunsch

Prof. Dr. Conny Wunsch

Die digitale Transformation verändert die Arbeitswelt. Sie hat Einfluss auf die Arbeitsprozesse, die Arbeitsweise und natürlich auch auf die Kompetenzen, die im Arbeitsmarkt gesucht sind. Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms (NFP) 77 zur digitalen Transformation haben die Professoren Conny Wunsch und Michael Beckmann den Stand der digitalen Transformation in der Schweiz empirisch untersucht. Dabei haben sie neuartige Daten von Arbeitsmarktakteuren erhoben, um Risiken und Chancen dieses Wandels sowie erfolgreiche Bewältigungsstrategien zu identifizieren. Die Forschung von Michael Beckmann zu den Auswirkungen der digitalen Transformation in Unternehmen wird im nächsten Newsletter thematisiert.
Professorin Conny Wunsch konzentriert sich auf die Angebotsseite des Arbeitsmarktes, insbesondere auf Arbeitsmarkteinsteiger. Die digitalisierte Arbeitswelt benötigt Arbeitnehmende mit digitalen Kompetenzen.

Beckmann

Prof. Dr. Michael Beckmann

Welche Kompetenzen das sind, ist mittlerweile recht gut erforscht. Wunsch interessiert sich jedoch dafür, wie die Angebotsseite des Arbeitsmarktes auf diese Anforderungen reagiert. Dies ist entscheidend, um das Ausmass eines potenziellen Skill Mismatch auf dem Arbeitsmarkt zu bestimmen. Studierende sind als zukünftige Arbeitnehmende in dieser Hinsicht besonders interessant. Sie sind in einer Phase, in der sie in ihre Kompetenzen investieren und diese aufbauen. Es wäre für sie verhältnismässig einfach auch neue digitale Qualifikationen zu erwerben und sich so an geänderte Anforderungen anzupassen. Die Frage ist, tun sie das auch?

Um diese Frage zu beantworten, haben Wunsch und ihr Team vom Herbstsemester 2021 bis zum Frühjahrssemester 2024 eine umfassende Erhebung unter mehreren hundert Master- und PhD-Studierenden der Universität Basel durchgeführt. In einem ersten Schritt wurde die Selbsteinschätzung der Studierenden hinsichtlich ihrer Kompetenzen erfasst. In einem Arbeitspapier analysierten Wunsch und ihre Koautorin die erhobenen Daten und stellten dabei einen signifikanten Gender-Gap fest: Weibliche Studierende schätzen ihre digitalen Fähigkeiten deutlich geringer ein als ihre männlichen Kommilitonen. Dieser Unterschied bleibt bestehen, selbst wenn man für Fachrichtungen und absolvierte Kurse statistisch kontrolliert. Ob Frauen ihre digitalen Fähigkeiten unterschätzen oder Männer diese überschätzen, lässt sich aus den Daten nicht eindeutig ableiten. Fest steht jedoch, dass Frauen sich in der digitalen Welt weniger zutrauen.

Gleichzeitig scheinen sie auch die Bedeutung dieser digitalen Kompetenzen zu unterschätzen. In einer weiteren Analyse wurden die Studierenden nach ihrer Einschätzung der Anforderungen des Arbeitsmarktes gefragt. Weibliche Studierende bewerteten das erforderliche Niveau digitaler Kompetenzen signifikant niedriger als ihre männlichen Kommilitonen. Auch hier wurden die Berufsbilder und die zugehörigen Kompetenzen nach Fachrichtungen differenziert betrachtet und auch hier ist der Gap nicht fachrichtungsspezifisch, sondern geschlechtsspezifisch.

Themenbild

The Swiss labour market in the digital transformation

Digitalisation is changing the demands on employees. This project aims to show how exactly these demands are changing and how demand and supply of work react to these changes.

 

Ein weiterer zentraler Unterschied zeigt sich in den erwarteten Renditen von Investitionen in digitale Kompetenzen. Hierzu wurden die Studierenden befragt, welche Löhne sie für Absolvierende mit unterschiedlichen Kompetenzprofilen ein Jahr nach Abschluss erwarten. Das Ergebnis: Unabhängig vom Studiengebiet erwarten Frauen deutlich geringere Renditen aus digitalen Qualifikationen als Männer. Diese niedrigeren Erwartungen korrelieren mit den geringeren Investitionen von Frauen in digitale Kompetenzen, erklären diese jedoch nicht vollständig.

Schliesslich untersuchte Wunsch die Job-Präferenzen der Studierenden und auch hier zeigt sich dasselbe Bild. Frauen bevorzugen Jobs die weniger digitale Kompetenzen verlangen. Die Untersuchung bringt dies in einer erstaunlichen Zahl auf den Punkt: Bei gleicher Fachrichtung sind Frauen im Gegensatz zu Männern bereit sieben Prozent weniger Jahresseinkommen in Kauf zu nehmen, um keine Jobs zu haben, die mehr digitale Kompetenzen verlangen.

Obwohl es nicht das primäre Ziel der Studie war, geschlechtsspezifische Unterschiede in Kompetenzprofilen und Job-Präferenzen zu identifizieren, treten diese als zentrales Ergebnis hervor. Die Forschung von Conny Wunsch macht alarmierend deutlich, dass weibliche Universitätsstudierende Gefahr laufen, beim digitalen Wandel ins Hintertreffen zu geraten. Sie investieren signifikant weniger in digitale Kompetenzen als ihre männlichen Kommilitonen (Strobl & Wunsch, 2024a). Die Untersuchungen identifizieren drei zentrale Ursachen für diese Unterschiede: Erstens erwarten Studentinnen im Durchschnitt geringere Erträge aus digitalen Fähigkeiten (LaRussa, Strobl & Wunsch, 2024). Zweitens unterschätzen sie das erforderliche Niveau digitaler Kompetenzen für relevante Berufsfelder (Strobl & Wunsch, 2024a). Drittens zeigen sie eine ausgeprägte Abneigung gegen Jobs, in denen digitale Kompetenzen wichtig sind (Strobl & Wunsch, 2024b).

Um eine zunehmende geschlechtsspezifische Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt zu verhindern, ist es deshalb essenziell, diese Hindernisse gezielt anzugehen.

 

 

Working Paper I

La Russa, F., R. Strobl and C. Wunsch (2024): “Students' Perceived Returns to Skills”.

 

 

 

 

Working Paper II

Strobl, R. and C. Wunsch (2024): “Skill-related Job Preferences of University Students"

 

 

 

 

Working III

Strobl, R. and C. Wunsch (2024): “Students’ Beliefs about Digital Skills".