FV-100 | Evaluation von Unsicherheitsindikatoren aus Optionspreisen
Prof. Dr. Heinz Zimmermann & Lukas Jaeger
Ziele des Projektes
Optionspreise widerspiegeln die erwartete Unsicherheit über die zukünftige
Kursentwicklung auf Finanzmärkten, meistens Aktien. Seit den 1990er-
Jahren sind Indizes verbreitet, welche die erwartete Unsicherheit durch die
implizite Volatilität aus Optionspreisen messen, für den US Aktienmarkt ist
der VIX am stärksten genutzt. Dabei handelt es sich um ein symmetrisches
Unsicherheitsmass. Als Ergänzung werden seit einigen Jahren asymmetrische
Unsicherheitsmasse verwendet, bspw. der SKEW (für den US Aktienmarkt).
In diesem Projekt wird der Prognosegehalt dieser Indizes hinsichtlich der
zukünftigen Marktrenditen, also deren Rolle als Stimmungsindikator für den
Aktienmarkt, untersucht. Insbesondere geht es um die Frage, ob schiefebasierten
Indizes gegenüber traditionellen Prädiktoren ein marginaler Prognoseeffekt
zukommt. Die Innovati-on der Fragestellung liegt darin, dass diese Indizes
meistens als Risikofaktoren, nicht als Prognosegrössen verwendet werden.
Realisierte Schritte
Die empirischen Untersuchungen der zentralen Fragestellungen sind weitgehend
abgeschlossen: dazu gehört einerseits die Validierung der verwendeten SKEWIndexdaten
gegenüber klassischen, symmetrischen Volatilitätsindizes, und
anderseits (und als zentrale Fragestellung) die Evaluation des Prognosegehalts
von VIX- und SKEW-Indizes hinsichtlich zukünftiger Aktienmarktrenditen –
insbesondere die marginale Prognosekraft von SKEW. Die Prognoseeigenschaften
der beiden Volatilitätsindizes werden in Verbindung mit vier in der Literatur
bewährten Prädiktoren des Aktienmarktes untersucht (credit spread, term spread,
dividend-price ratio, momentum); es wird ein Prognosehorizont von 1 Monat
untersucht.
Gegenüber der Projektbeschreibung konnte die dritte Fragestellung, die
Untersuchung der Konstruktionsqualität der SKEW-Indizes und mögliche
Alternativen im Rahmen des vorliegenden Projekts noch nicht behandelt werden.
Der Grund liegt darin, dass dazu (innertägliche) Optionsdaten erforderlich sind.
Diese Daten sind zwar im Rahmen eines anderen Projekts an der Professur
verfügbar, jedoch ist der damit verbundene Bearbeitungsaufwand sehr viel grösser
als vorausgesehen werden konnte, so dass diese Arbeiten im Rahmen der Mittel der
Abteilung als eigenes Projekt verfolgt werden.
Ergebnisse
Aus den Untersuchungen resultieren zwei Haupterkenntnisse: Erstens, die
Prognoseeigenschaften des VIX weisen ein stabiles, aber positives Vorzeichen auf;
in der Praxis wird intuitiv jeweils ein negativer Zusammenhang unterstellt, der
durch die gleichzeitige Beziehung zwischen Renditen und der Veränderung von
VIX motiviert wird. Dies zeigt, dass ein erheblicher Unterschied darin liegt, ob eine
Variable als Risikoparameter (bezüglich realisierter Renditen) oder Prognosegrösse
(hinsichtlich erwarteter Renditen) verwendet wird. Dies bedeutet, dass in
Antizipation einer höheren Unsicherheit (VIX) die verlangte Risikoprämie erhöht
wird (deshalb das positive Vorzeichen von VIX als Prognosegrösse), was einen
tieferen Aktienkurs erfordert (deshalb der negative gleichzeitige Zusammenhang
gegenüber der Veränderung des VIX).
Die gleiche Logik müsste auch für SKEW gelten. Das zweite Hauptergebnis liegt
jedoch darin, dass man die äquivalenten Ergebnisse für den SKEW in den Daten
nicht beobachtet. Aufgrund der Konstruktionsmerkmale bedeutet ein höherer
Index wie beim VIX ein grösseres Risiko im Sinne einer stärker linksschiefen
Verteilung (grösseres Verlustrisiko verglichen mit den Gewinnchancen). Es liegt
jedoch eine positive gleichzeitige Beziehung gegenüber den Aktienrenditen vor
– was der Interpretation des SKEW als Risikofaktor widerspricht. Die Eignung
des SKEW als Prognosegrösse für zukünftige Risikoprämien fällt demgegenüber
(wie beim VIX) positiv aus, ist jedoch statistisch nicht signifikant – ausser bei der
Prognosefähigkeit für stark negative Renditen, wo der Zusammenhang entgegen
der Erwartung (teilweise statistisch) negativ ausfällt. Diese Beobachtungen gelten
für die absolute und auch die marginale Erklärungskraft des SKEW gegenüber
des VIX, d.h. der SKEW weist gegenüber des VIX (und den anderen verwendeten
Prädiktoren) keinen zusätzlichen Prognosegehalt auf.
Die Ergebnisse bezüglich des SKEW sind also durchwegs entgegen den
Erwartungen: sie deuten auf eine grundlegend unterschiedliche Interpretation als
Risikofaktor und Prognosegrösse im Vergleich zum VIX hin. Dieses Puzzle muss
in weiteren Untersuchungen ausführlicher analysiert werden. Die Ergebnisse
haben Implikationen, welche in der Literatur so nicht dokumentiert sind.
Mögliche Erklärungsansätze liegen in zwei Richtungen: zunächst gilt es, die
Konstruktionsmerkmale des SKEW genauer zu untersuchen und durch andere
Proxis zu vergleichen. Nebst diesem statistischen Aspekt muss das Verständnis des
SKEW durch die Finanzpraxis kritisch hinterfragt werden; es handelt sich um einen
in der Konstruktion komplexen Index, dessen Bezug zur spezifischen Unsicherheit,
den er abzubilden anstrebt, nicht einfach zu verstehen ist.
Die vorher dokumentierten Ergebnisse werden durch ausführliche Robustheitstests
in Bezug auf den Schätzzeitraum und die Spezifikationen der Regressionsmodelle
evaluiert; die Grunderkenntnisse werden bestätigt. Aber es zeigt sich ein hoher
Grad an zeitlicher Instabilität. Da es sich um Prognosemodelle handelt, bedeutet
dies, dass sich die Modelle für taktisch profitable Prognosen kaum eignen – ausser
des positiven Prognosegehalts von VIX, der sehr stabil ausfällt.
Publikationen
Ein Working Paper ist in Vorbereitung und liegt im April 2023 vor. Eine Übersicht
über die Fragestellungen und die wichtigsten Ergebnisse liegt in Form einer
Präsentation vor.