FV-109 | Krankenkassenprämie und Wahl des Wohnorts
Prof. Dr. Stefan Felder, Prof. Dr. Kurt Schmidheiny, Sascha Sebastian Brunner
Health Economics, Ökonomie und Angewandte Ökonometrie
Forschungsgegenstand
Die neuere empirische Forschung hat gezeigt, dass die lokale Steuerbelastung einen signifikanten Einfluss auf die Wohnsitzwahl von Haushalten in der Schweiz hat. Für das Budget von Haushalten mit tiefen Einkommen spielen regional unterschiedliche Krankenkassenprämien und ihre kantonalen Verbilligungen aber eine viel wichtigere Rolle als die lokalen Steuern. In diesem Projekt möchten wir deshalb untersuchen, ob die effektiven Krankenkassenprämien die Wohnsitzwahl beeinflussen. Im Rahmen eines Drittmittelprojektes des neu gegründeten Basel Center for Health Economics ist es uns erstmals gelungen, die Daten von Versicherten einer Krankenkasse (Helsana) mit Einkommensdaten der Sozialversicherung und Angaben zur Haushaltszusammensetzung und zum Wohnsitz aus Bevölkerungsregistern zu verknüpfen. Im Drittmittel-Projekt mit der Helsana studieren wir, wie die Wahl des Vertrags (Selbstbehalt, Versicherungsmodell) vom Einkommen abhängt. Dieser einmalige Datensatz mit Daten zu rund 2 Millionen Versicherten über mehrere Jahre ist aber auch optimal, um die Fragestellung in diesem Antrag zu untersuchen.
Problemstellung
In der Schweiz gibt es in der Obligatorischen Krankenpflegeversicherung 42 unterschiedliche Prämienregionen. Matthias Benz und Florian Seliger haben in der NZZ vom 19. September 2023 aufgezeigt, dass sich durch einen Umzug mehrere Tausend Franken an jährlichen Prämienzahlungen einsparen lassen. Für eine erwachsene Person kann der Unterschied 3000 Franken, für eine Familie mit zwei Kindern gar 7500 pro Jahr ausmachen. Weitere potentielle Einflussfaktoren für die Wahl des Wohnortes sind die kantonalen und kommunalen Steuertarife, die kantonal geregelte individuelle Prämienverbilligung, das Niveau der regionalen Mieten sowie die Infrastruktur einer Gemeinde. Die regionalen Bedingungen dürften vor allem auch für Personen wichtig sein, die aus dem Ausland neu in die Schweiz zuziehen.
Zielsetzung
Die Daten der zentralen AHV-Ausgleichskasse enthalten die Erwerbseinkommen aller erwerbstätigen Einwohner der Schweiz für die Jahre 2011 bis 2022. Durch die Verknüpfung mit dem Bevölkerungsregister können wir die einzelnen Personen Haushalten zuordnen und wir kennen Wohngemeinde und im Fall eines Zuzuges den Herkunftsort (Gemeinde bzw. Land). Die Daten der Helsana liefern Information zur Vertragssituation, inkl. Krankenzusatzversicherung, Prämienhöhe und die Höhe der Gesundheitsausgaben ihrer Versicherten. Diesen Daten werden Angaben zur regionalen Prämienhöhe, zur kantonalen Prämienverbilligung und zur Steuerbelastung von Kanton und Gemeinde zugespielt. Der kombinierte Datensatz erlaubt es uns, Haushalten über Zeit und Raum zu folgen.
Bedeutung und Nutzen
Die Fragestellung ist im föderalen System der Schweiz mit einem ausgeprägten Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen und zwischen den Gemeinden von grosser Relevanz, zumal die relative Belastung von Schweizer Haushalten durch die Krankenkassenprämie über die Zeit stark zugenommen hat. Am unteren Ende der Einkommensverteilung interessiert das Zusammenspiel zwischen Individueller Prämienverbilligung, Prämienhöhe und Steuerbelastung besonders weil Haushalte aufgrund ihres geringen Einkommens keine oder nur geringe Steuern zahlen.