FV-98 | Gefährdet die fehlende Verfügbarkeit von Patientendaten in der Schweiz den Pharma-Forschungsstandort Schweiz?

Prof. Dr. Rolf Weder

Aussenwirtschaft und Europäische Integration

 

Forschungsgegenstand
Die Schweiz scheint in Sachen Digitalisierung des Gesundheitswesens relativ stark zurückzuliegen.
Es besteht seit Jahren eine rege Diskussion über die unbefriedigende Entwicklung des dezentralen
«elektronischen Patientendossiers» und über die allfällige Notwendigkeit, Gesundheitsdaten
zentralisierter, umfassender und nach einheitlichen Standards zu sammeln und zur Verfügung zu
stellen. Dabei stehen Fragen des Persönlichkeitsschutzes, der Datensicherheit, des Datenzugangs
und der Datenverarbeitung im Gesundheitswesen im Vordergrund.1 Obwohl alle sich über die
Bedeutung des Themas für die Patienten und Patientinnen einig sind, kommt man hier in der
Schweiz nur sehr langsam voran.
Das hier vorgeschlagene Projekt widmet sich vor diesem Hintergrund dem Zusammenhang zwischen
der Datenverfügbarkeit im Gesundheitswesen der Schweiz und der Forschung am Standort Basel.
Der CEO von Roche betonte nämlich in einem kürzlichen Video-Interview mit dem Center for
International Economics and Business (CIEB) an unserer Fakultät, dass dieser fehlende Zugang zu
«Big Data» im schweizerischen Gesundheitswesen den Forschungsstandort Schweiz schwäche oder
sogar in Frage stelle. Seine Aussage: «As a result of it, we cannot always do the research we want
to do (…) and a number of projects are going to the U.S. which in the past would have landed in
Switzerland”.2 

Problemstellung
Dass die Verfügbarkeit von Patientendaten für die Forschung in der Pharmaindustrie und damit
die Entwicklung von Medikamenten und neuen Behandlungsmethoden entscheidend ist, erklärt
sich von selbst. Nicht offensichtlich ist aber der betonte Zusammenhang zwischen dem Zugang zu
den Daten im schweizerischen Gesundheitswesen und der Forschung am Standort Schweiz. Man
könnte nämlich vermuten, dass Daten zwar einen zentralen Input in die Forschung darstellen, der
Ort der Herkunft dieser (anonymisierten) Daten aber eine geringe Rolle spielt. Es kommt dazu,
dass die Datenmenge aus dem Schweizer Gesundheitswesen (auch wenn perfekt aufbereitet) im
internationalen Vergleich eher gering sein dürfte. Warum sollte der Zugang für die Forschung am
Standort Schweiz also so wichtig sein?

Zielsetzung
Die Zielsetzung dieses Projektes besteht darin, diese Frage zu beantworten und damit Licht in diese
wichtige Überlegung zu bringen. Dabei wird es zentral sein, die Bedeutung der geographischen
(allenfalls regulatorischen) Nähe zwischen der Nachfrage nach Produkten bzw. Dienstleistungen
und der Forschung im Pharmamarkt zu verstehen. Die theoretische Grundlage für dieses Verständnis
bildet die internationale Handelstheorie, welche durch die Betonung sogenannter «Home-Market
Effects» einen Zusammenhang zwischen lokaler Nachfrage und Exportfähigkeit von Produkten
herstellt. 

Bedeutung und Nutzen
Die Bedeutung ist hoch. Es geht um die Zukunft des Forschungsstandortes Schweiz im Life
Science Bereich mit Implikationen für andere Bereiche. Auch erhoffe ich mir generell ein besseres
Verständnis des Zusammenhangs zwischen Kundenbedürfnissen, Daten und Innovation.