FV-92 | Lohngleichheitsanalysen: Eine kritische Betrachtung

Prof. C. Wunsch, R. Felder

Arbeitsmarktökonomie

 

Ziele des Projektes
Ziel des Projektes ist es, das vom Bund bereitgestellte Tool Logib Modul 1 für betriebliche Lohnanalysen methodisch hinsichtlich der folgenden Dimensionen zu evaluieren:

• Angemessene Berücksichtigung betriebsinterner systematischer Unterschiede in lohnbestimmenden Faktoren zwischen Frauen und Männern
• Vorhandensein vergleichbarer Frauen und Männer innerhalb eines Betriebes 
• Verwendetes statistisches Analyseverfahren

Der methodische Fokus des Projektes hat sich damit gewandelt. Der ursprüngliche Forschungsgegenstand war, den Einfluss individueller Erwerbsbiografien auf Lohnunterschiede zu quantifizieren. Diese finden weder im Logib-Tool noch in den standardmässigen Analysen auf nationaler Ebene Berücksichtigung. Die Arbeits- und Berufserfahrung ist jedoch entscheidend für die Lohnhöhe und unterscheidet sich auch heute noch stark zwischen Frauen und Männern. Da die für Lohnanalysen typischer Weise verfügbaren Daten keine Erwerbsbiografien enthalten, haben wir die Analysen mit administrativen Daten für arbeitslose Bezüger von Leistungen der Arbeitslosenversicherung (ALV) geplant. Der Fokus des Projektes hat sich aus zwei Gründen geändert. Zum einen hat sich gezeigt, dass sich die Erwerbsbiografien von arbeitslosen Bezügerinnen und Bezügern von Leistungen der ALV aufgrund der Anspruchsvoraussetzungen der ALV kaum unterscheiden. Die Aussagen, die mit diesen Daten gemacht werden können, sind somit nicht auf beschäftigte Frauen und Männer übertragbar, die hinsichtlich Erwerbsbiografien erhebliche Unterschiede aufweisen. Zum anderen hat der Bund die Problematik selbst aufgegriffen. Er kann auf Basis eines neuen Datensatzes  Erwerbsverläufe von Erwerbstätigen in die Analysen einbeziehen und nicht nur für die selektivere Grundgesamtheit der Arbeitslosen. Leider wurde unser Antrag auf diese Daten abgelehnt.

Realisierte Schritte
Im ersten Schritt haben wir das Logib Modul 1 auf Betriebsebene in der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung für das Jahr 2018 angewandt. Anschliessend haben wir die fehlende Vergleichbarkeit zwischen Frauen und Männern innerhalb von Betrieben untersucht. Als nächstes haben wir geprüft, wie sich alternative lohnbestimmende Faktoren und Analyseverfahren auf betrieblichen Lohnunterschiede auswirken. Im letzten Schritt haben wir untersucht, in welchen Betrieben die methodischen Schwächen des Tools am stärksten zum Tragen kommen.

Ergebnisse
Es zeigt sich, dass 20 Prozent der Betriebe im privaten Sektor und 10 Prozent der Betriebe im öffentlichen Sektor in die Gruppe der Betriebe entfallen, in denen Frauen gemäss EBG-Vorgabe systematisch geringer verdienen als Männer. Werden alle lohnbestimmenden Faktoren von Logib Modul 1 gemeinsam betrachtet, ist der Anteil an Frauen, die nicht die gleichen Merkmale haben wie Männer, für alle Betriebsgrössen substanziell. Die Nichtberücksichtigung der beruflichen Tätigkeiten führt zu einer systematischen Überschätzung der als kritisch angesehenen unerklärten Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern. Am
stärksten betroffen sind kleinere Betriebe sowie Betriebe mit Beschäftigten in typischen Frauenberufen. 

Publikationen
Die ersten Ergebnisse wurden in den WWZ Publikationen WWZ Insights No. 3 und WWZ Faculty Blog veröffentlicht. Darüber hinaus wurden die Ergebnisse in einem Artikel des Nebelspalters aufgegriffen. Derzeit arbeiten wir an der Erstellung eines wissenschaftlichen Forschungspapiers, dass im Laufe des Jahres 2022 bei einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift eingereicht werden soll. Präsentationen und Konferenzen
Das Projekt wurde im Herbst 2021 bei einer Delegationssitzung des WWZ Forums vorgestellt.